Gedanken
Ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Wissen über eine wirkliche Bindung mit dem Partner Pferd und mit vielen unterschiedlichen Trainingsansätzen zur Kommunikation der Pferde untereinander (Herdenverhalten und Dynamik) und was man daraus mitnehmen kann für unsere tägliche Arbeit mit unserem Pferd. Außerdem natürlich mit den Themen der Konditionierung, der Ausbildung, des Lernverhaltens der Pferde, der psychologischen Zusammenhänge und das alles auf Basis der biomechanischen Grundlagen.
Wir möchten unser Pferd gerne reiten, jedoch ist das Pferd nicht dafür geboren, ein Reitpferd zu sein. Pferde brauchen uns Menschen nicht, sie können sehr gut ohne uns leben. Darum ist es unsere Aufgabe und unsere Pflicht, so gewissenhaft und schonend wie möglich mit dem Lebewesen Pferd umzugehen. Der Mensch, der ein Reiter werden möchte, muss gewisse Eigenschaften haben oder erwerben, um mit einem Pferd richtig zu kommunizieren und nicht immer nur das eine Endziel im Kopf zu haben. Schon gar nicht, wenn es darum geht, Erfolge, Schleifen, Gewinngelder oder Anerkennung mit dem Pferd erreichen zu wollen.
Denn immer, wenn es um diese Art Ziele geht, dann ist das nur auf Kosten des Pferdes durchführbar. Ein Pferd kann nicht „funktionieren“, ein Pferd versteht nicht, warum es immer in einer 20 mal 40m Halle im Kreis laufen muss. Das ist in der Natur einfach nicht so vorgesehen und wir müssen uns immer wieder fragen, ob unser Pferd auch Interesse an dieser Art Arbeit hat, ob es motiviert und ohne Schmerz-anzeichen (Zähneknirschen, Zunge rausstrecken, Schweifschlagen) mitarbeitet. Ziele sind natürlich wichtig und die kleinen Etappenziele dazwischen sind nötig, um den Fokus auf dem richtigen Weg zu behalten.
Foto: Viola Brandt
ABER es geht in erster Linie um den gemeinsamen Weg mit dem Pferd. Und wenn das Pferd das Tempo bestimmt, dann muss man sich als Mensch in Geduld üben. Man muss immer genau hinschauen und fühlen, ob es dem Partner Pferd gut geht, ob die Hilfen leichter werden mit der Zeit der Arbeit, ob sich das Pferd gut bemuskelt und es durch die tägliche Arbeit „schöner“ wird. Kommt Dein Pferd zu Dir, wenn Du in den Stall kommst? Geht es gerne mit Dir zum Putzplatz? Lässt es sich putzen ohne Stress-anzeichen? Kannst Du es satteln, ohne dass es die Ohren anlegt oder versucht zu beißen? Bleibt es stehen, wenn Du aufsteigst? All diese Fragen und noch viele mehr musst Du für Dich beantworten und Du musst in den Spiegel gucken können und ehrlich zu Deinem Spiegelbild sein. Denn nur eine gute Reflexion und vor allem ein tiefgründiges Wissen über Pferde und ihre natürlichen Verhaltensweisen sowie ihr Wertesystem und ihre Physiologie ermöglichen einen fairen und gesunderhaltenden Umgang mit unserem Partner Pferd.
Denkt immer daran:
"Wissen ist Macht und Gewalt beginnt wo Wissen aufhört!"
Auf den folgenden Seiten lest ihr mehr über meine Philosophie, meinen Weg und meine Wegbegleiter, meine „Mentoren“, und wie ich gerne mit Euch mein Wissen teilen möchte.
Der Weg ist das Ziel!
Eure Caro
Foto: Carolin Klose
Guter Reitunterricht -
Wie definiert man den?
Fragt man zehn verschiedene Personen, bekommt man vermutlich zehn verschiedene Antworten, was guten Reitunterricht ausmacht.
Ich meine aber, dass es bestimmte Eckpfeiler gibt, auf die jeder gute Trainer seinen Unterricht aufbauen sollte. Die Ausbildung von Pferd und Reiter unterscheidet sich insofern wenig vom Lernen allgemein. Was zu Beginn versäumt wird, kostet später ein Vielfaches an Einsatz. Steht das Fundament und passt die Basis, kann man immer weiter darauf aufbauen.
Guter Reitunterricht ist komplex, da es die Bedürfnisse des Pferdes mit dem Können des Reiters zu vereinen gilt. Jeder kennt wohl den Grundsatz: junges Pferd, erfahrener Reiter, “junger” Reiter, erfahrenes Pferd. Es gibt aber auch genügend Beispiele, wo diese Konstellation nicht zum Erfolg führt oder aber genau das Gegenteil super funktioniert.
Das wichtigste Kriterium guten Unterrichts ist Individualität. Jedes Pferd ist ein Individuum mit Stärken und Schwächen, körperlichen und seelischen Bedürfnissen, so wie auch jeder Reiter bestimmte Dinge gut kann, während andere ihm wirklich schwer fallen.
Definieren wir gutes Reiten zunächst einmal als pferdefreundlich, da schonend und gesund fürs Pferd, frei von Gewalt, respektvoll und motivierend.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Pferderassen, die ursprünglich für ganz bestimmte Einsatzbereiche gezüchtet wurden, nun aber alle den Weg zum vielseitigen Freizeitpartner gefunden haben. So treffen Reitlehrer im Unterricht auf schwere Kaltblüter, Robustpferde, Barockpferde, Westernpferde, Reitponys, Warmblüter, Gangpferde und Vollblüter in der Hand von Freizeitreitern, die unterschiedlich ambitioniert vor allem eine gute Zeit mit ihrem Pferd verbringen wollen.
Ganz individuell müssen diese Pferde aktiviert oder beruhigt werden, vermehrt im Hals angehoben oder in Dehnung geschickt, gebogen oder geradeaus und vorwärts oder mit ruhigerem Takt geritten werden.
Und nie kommt man mit genau einer Strategie zum Ziel, da Entwicklung immer In-Bewegung-sein bedeutet und Fortschritt immer auch mit neuen Herausforderungen gekoppelt ist. Reiter sind sportlich und unsportlich, mit hohem oder niedrigen Muskeltonus, oben zu locker und unten zu fest oder umgekehrt, ängstlich oder Draufgänger, geduldig oder ungeduldig, ruhig oder nervös, schlank oder rund und häufig, genau wie ihre Pferde, von allem ein bisschen, nicht immer gleichzeitig, aber je nach Tagesform.
Guter Reitunterricht geht auf alle diese Besonderheiten ein und hilft dem Pferd und seinem Reiter ganz individuell in kleinen Schritten weiter. Wie bei Therapiegesprächen, wo immer gilt: “Störungen haben Vorrang”, so verfolgt guter Unterricht nicht stur ein Ziel, sondern kümmert sich immer wieder aufs Neue um “Störungen” und bearbeitet, was gerade ansteht.
Foto: Frau Wildbär
Dies kann nur gelingen, wenn der Reitlehrer Erfahrungen mit vielen verschiedenen Pferden und einen großen Vorrat an Ideen und Übungen gesammelt hat, wenn er über Hintergrundwissen zu Anatomie und Biomechanik von Pferd und Reiter verfügt und eine gute Portion Einfühlungsvermögen besitzt. Dass es nur im Einzelunterricht möglich ist, diesen Anspruch zu erfüllen, liegt nahe. Ebenso, dass guter Unterricht niemals ein Aneinanderreihen verschiedener Bahnfiguren sein kann, wenn Korrektur der Balance bei Pferd und Reiter unterbleiben.
Als oberstes Gebot guten Unterrichts gilt die Regel “pro Pferd”. Nur wenn ein Pferd bereit ist, mit uns zusammenzuarbeiten, kann es auch lernen. Im Zweifel gilt es immer, einen Schritt zurückzugehen. Wenn eine Übung im Sattel nicht klappt und es keine einfachere Übung im Sattel gibt, geht es zurück an den Boden.
Wenn das Tempo zu hoch ist, wird eine niedrigere Gangart gewählt. Wenn der Reiter noch nicht sitzen kann, werden zunächst Sitzübungen gemacht. Wenn die Hände noch zu unruhig sind und das Pferd irritieren, wird mit Halfter oder Kappzaum geritten. Manchmal kann der Reitlehrer dem Pferd erklären, was von ihm gewünscht wird, und der Schüler kann es nachreiten. Manchmal muss der Schüler zunächst auf einem anderen Pferd lernen, bevor er wieder sein eigenes Pferd reiten kann. Guter Reitunterricht folgt nicht immer dem gleichen Ablauf Schritt-Trab-Galopp. Eine gute Reitstunde kann mit dem korrekten Auf- und Absteigen beginnen und mit Lockerungsübungen im Schritt bereits wieder enden. An manchen Tagen klappen die Seitengänge im Galopp, an anderen Tagen ist eine korrekt gerittene Ecke bereits eine Herausforderung. Guter Reitunterricht traut sich zu, Vorstellungen über den Haufen zu werfen und ganz neue Wege zu beschreiten, gemäß dem Motto: Wenn etwas nicht klappt, ist es nicht schlimm, sondern Zeichen dafür, dass noch geübt werden muss oder die passende Lösung nicht gefunden wurde.
Jeder, der reitet, tut sich und seinem Pferd einen großen Gefallen, wenn er Lehrer sucht, die flexibel und engagiert sind und mit dem nötigen Wissen die individuellen Bedürfnisse eines jeden Pferd-Reiter-Paares erkennen. Lehrer, die sich auch trauen, mal zu bremsen, wenn die Basis noch nicht passt oder das Pferd eben noch nicht bereit ist für den Galopp in der Bahn oder den Sprung unter dem Sattel, den Ausflug zum Turnier oder den mehrstündigen Ritt ins Gelände. Guter Reitunterricht lässt Pferd und Reiter leuchten und eins werden, egal auf welchem Niveau. Denn nur, wo Leichtigkeit vorhanden ist, kann Harmonie entstehen.
Text von: Ride in Balance